Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Max Reger

 

Variationen und Fuge für Orchester über ein Thema von Mozart op. 132

 

Die Mozart-Variationen sind Regers letztes Variations-Werk für Orchester, ihr gingen die Variationen über ein Thema von Ludwig van Beethoven op. 86 und Johann Adam Hiller op. 100 voraus. Alle diese drei Zyklen enden mit je einer imposanten Fuge. Ein Thema als Grundlage für einen Variationszyklus zu wählen, das bereits vom Schöpfer selbst ausgiebig variiert wurde – Klaviersonate A-Dur KV 331, 1. Satz – ist ein Unterfangen und setzt viele Ideen sowie die absolute Beherrschung der Variationstechnik voraus. Diese hatte sich Reger in früheren Werken, oft nach dem Vorbild J. S. Bachs, angeeignet.

 Reger verleiht Mozarts Thema bereits mit den ersten Tönen einen gewandelten Ausdruck. Der schwebend graziöse Tonfall von Mozarts Musik wird m. E. durch die Instrumentation verwässert, auch wenn Reger immer wieder grazioso in die Stimmen schreibt. Interessant ist ein Blick auf Regers Phrasierung: außer einigen Bindebögen überlässt Mozart diese dem Spieler, der in der Regel immer taktweise vorgeht. Regers Phrasierungs-Vorstellung sieht für Bläser eine andere als für Streicher vor. Die beginnenden Holzbläser sollen über den Taktstrich phrasieren, die Streicher sich jedoch an Mozarts Vorgaben orientieren, wobei noch zu bemerken ist, dass sich die Phrasierung in den entsprechenden Takten 3 und 7 nicht deckt. Unsere Interpreten behandeln Regers Wünsche unterschiedlich: Während z. B. Schuricht und Otterloo die Takte 1 bis 4 und 5 bis 8 je unter einen großen Bogen stellen, lässt Scherchen nach Mozarts Original phrasieren.

Aus spätromantischer Kompositionsvorstellung heraus lässt Reger die beiden letzten Takte langsamer ausklingen. Diese Verzögerungstaktik durchzieht mehr oder weniger sämtliche Variationen und kann auf uns heutige Zuhörer als überflüssig und störend, weil den Fluss der Musik hemmend, wirken. Hier ist der Dirigent gefragt. In Variation 5 und 8 sind die wechselnden Tempi jedoch Teil der Komposition.

In der ersten Variation ist das Thema noch durchgehend präsent, danach macht es sich als Ganzes mehr und mehr rar. Erst in den Variationen 6 und 7 tritt es wieder deutlich in den Vordergrund. Was Reger als 8. Variation bezeichnet, entpuppt sich eher als eine freie Fantasie über Mozarts Thema im spätromantischen Gewand. In Anlehnung an Wagners Lohengrin- und noch mehr Tristan-Musik führt Reger die Violinen zur Achtstimmigkeit, aber auch die Bratschen und Celli werden geteilt.

Im p, pp sowie ppp beginnt das Thema der ausgedehnten Fuge, so schreibt es der Komponist in seine Partitur. Die Umsetzung seitens der Orchester erreicht diese Differenzierung im p-Bereich jedoch selten, besonders dann nicht, wenn Reger einige f-Takte für wenige Instrumente einfügt, es danach aber sehr leise weitergehen soll. Nach einer gewaltigen Steigerung endet die Fuge mit der Wiederaufnahme des Mozart-Themas parallel zum Fugen-Thema ab T. 165 im Glanz der Hörner und Trompeten, ab T. 175 in hohen Holzbläsern sowie Geigen und Bratschen.

Die Mozart-Variationen sind bis auf den heutigen Tag Regers populärster Variationszyklus geblieben, vielleicht sogar seines gesamten Orchesterschaffens.  Im Anschluss an diese Orchesterfassung schrieb Reger auch eine Übertragung für 2 Klaviere und im folgenden Jahr zusätzlich ein Arrangement für Klavier zu 4 Händen.



5

Willem van Otterloo

Residenz Orchester Den Haag

Philips  Challenge

1957

30‘06

 

Th und V 1 unter großen Phrasierungsbögen; Thema immer gut herausgearbeitet, übrige Instrumente bieten überwiegend Kolorierung und Farbe, feinfühliger Umgang mit Regers vorgesehenen Temporücknahmen, Musik gerät kaum ins Stocken, sehr gute Balance und hinreichende Transparenz, klanglich jedoch nicht mehr up-to-date; Fuge: deutliches Fagott ab T. 35

5

Heinz Bongartz

Staatskapelle Dresden

Eterna     Berlin Classics

1968

32‘17

 

Th bewundernswerte Klangkultur der Bläser, lebendig und durchsichtig, mit viel Geschmack in allen Sätzen musiziert, V 5 mit Pfiff, V 8 spätromantische Schwüle, Musik klebt niemals am Notentext, keine übertriebenen Ritardandi, guter Klang

5

Colin Davis

Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks

Philips

1989

34‘01

 

Phrasierung des Themas größtenteils nach Notenvorlage, Th könnte jedoch etwas schneller sein, überzeugender Wechsel von Spannung und Entspannung, von schnellen und langsameren Partien, Stimmführungen offengelegt, geschmeidiges Musizieren ohne spätromantischen Schwulst, sehr gute Balance und Transparenz


4-5

Carl Schuricht

SDR Sinfonie-Orchester Stuttgart

archiphon hänssler

1950

31‘41

 

live, Th und V 1 unter großen Phrasierungsbögen; liebevolle Ausgestaltung des Notentextes, steht Reger von allen Vergleichsaufnahmen am Nächsten, kompakter und teilweiser etwas belegter Klang, bei lauten Tutti-Stellen noch verstärkt, einige Publikumsgeräusche

4-5

Wilhelm Schüchter

Nordwestdeutsche Philharmonie Herford

Imperial Eterna forgotten records

1957

31‘01

 

Regers viele Temporücknahmen sehr behutsam umgesetzt, wechselnde Stimmführungen gut herausgearbeitet, mit viel Gefühl für die Musik musiziert, kompakter Klang, jedoch noch hinreichende Transparenz und Balance, Fuge deutliches Fagott T. 25 ff.

4-5

Hermann Scherchen

Nordwestdeutsche Philharmonie Herford

Radio Bremen CPO

1959/60

33‘44

 

Th Phrasierung nach Mozart, weniger nach Reger, Regers Ritardandi jedoch sklavisch befolgt (in allen Sätzen), klingt hier leicht süßlich, muss aus der Zeit der Entstehung des Werkes verstanden werden; V 1 T. 9 ff. hohe Violinen überdecken Thema der Oboe, V 3 Horn drei nach Ziffer 7 zu leise, V 6 Holz bei bei Ziffer 12 zu leise – Scherchen bemüht sich um ein durchsichtiges Klangbild, gute dynamische Schattierungen, romantischer Tonfall der Musik immer erlebbar

4-5

Herbert Blomstedt

Staatskapelle Dresden

WDR Calig

1990

32‘32

 

Mitschnitt des Konzerts in Siegen zum 100. Geburtstag von Fritz Busch – V 1 in großen Bögen phrasiert, V 8 überwiegend sehr ruhig, Spannung jedoch gehalten, immer transparente Fuge, gegen Ende Spannungszunahme – Reger-nahe Interpretation

4-5

Joseph Keilberth

Bamberger Symphoniker

Telefunken Warner

1962

32‘10

 

Thema kaum grazioso, etwas langsam, V 1 T 9 ff. hohe Violinen überdecken Thema, Regers Ritardandi immer befolgt, Mischklang, Keilberth unterstreicht den spätromantischen Tonfall, besonders in V 8 und am Ende der Fuge, Transparenz auf gutem Niveau


4

Eduard van Beinum

Concertgebouw Orchester Amserdam

DGG Guild

1943

32‘43

 

insgesamt genaues Musizieren, jedoch oft kompakter oder belegter Klang, Th zu langsam, sempre rit., wie von Reger verlangt, V 1 langsam, teilweise etwas gezogen; das Thema nicht aus den Augen verlierend, Fuge immer durchsichtig

4

Esa-Pekka Salonen

SWF Sinfonie-Orchester Baden-Baden

Aurophon Denon Alleggri

P 1989

32‘40

 

Th nach Vorlage phrasiert, V 2 rit. bereits zwei vor Ziffer 6, das überwiegend lebendige Musizieren wird jedoch immer wieder durch Regers viele Ritardandi ausgebremst

4

Jörg-Peter Weigle

Dresdner Philharmonie

Capriccio

1989

33‘29

 

Th sehr gebunden und langsam, ein gracioso will sich nicht einstellen, V 1 gezogen, V 4 warum nicht lockerer?, V 6 viel Espressivo, bei lauten Tutti-Stellen nachlassende Transparenz, Mischklang; ein spätromantischer Geist weht durch diese Aufnahme, besonders in V 8, Fuge lockerer

4

Horst Stein

Bamberger Symphoniker

Koch-Schwann

1991

33‘21

 

Th in mäßigem Tempo zu sehr deklamiert, in großen Bögen nach Vorlage phrasiert, bei den vielen Ritardando-Stellen hält sich Stein zurück, V 8 etwas sachlich, Fuge bleibt immer im Fluss


3-4

Karl Böhm

Berliner Philharmoniker

DGG

1956

33‘32

 

Th und V 1 zu langsam, ohne grazioso, V 1 T. 9 ff. 1. Geigen überdecken in hoher Lage das Thema der Oboe, V 2 meist zu Blech-belastet und wenig transparent, V 4 und V 5 gutes Tempo, hier sind die rit. angebracht, aber weniger an Satzenden, V 7 zu langsam und nüchtern, Klang wird zu dick, V 8 an lauten Abschnitten (molto espressivo) Orchesterbrei mit wenig Transparenz, Fuge T. 25 Fagott-Einsatz ziseliert und dürr



eingestellt am 21. 06. 21

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