Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Wolfgang Amadeus Mozart

 Sinfonie B-Dur KV 319

  Allegro assai – Andante moderato – Menuetto, Trio – Allegro assai

 

Unmittelbar nach seiner Rückkehr von der Reise nach Paris schrieb Mozart drei neue Sinfonien, in G-Dur KV 318, in B-Dur KV 319 sowie in C-Dur KV 338. Ihre Dreisätzigkeit verweist auf den italienischen Stil der Werke, wie man es am Salzburger Hof des Fürstbischofs erwartete. Für eine Aufführung der B-Dur-Sinfonie in Wien 1782 schuf er nachträglich ein Menuett samt Trio, wie es in Wien bei einer Sinfonie üblich war. Für einen Erfolg hieß es sich anzupassen und den Wünschen entgegenzukommen.

Kopfsatz und Finale sind in Sonatenform gestaltet, also mit Exposition, Durchführung und Reprise. Auffallend ist, dass im Kopfsatz keine Wiederholung vorgesehen ist, wie es üblich war. Im Finalsatz jedoch sollen die ausgedehnte Exposition sowie Durchführung mit Reprise wiederholt werden, was jedoch nicht immer geschieht, am ehesten noch bei den Einspielungen, bei denen die neue Mozart-Ausgabe vom Bärenreiter-Verlag verwendet wurde.

Aufmerksamen Hörern wird nicht entgehen, dass in der Durchführung des 1. Satzes mehrmals das Hauptthema des Finales aus Mozarts letzter Sinfonie, der „Jupiter“-Sinfonie, verarbeitet wird.

Im ruhigen Mittelsatz in Es-Dur wechseln sich zwei Themen miteinander ab, formal ergibt sich dann die Folge A-B-A-B-A. Das nachkomponierte Menuett mit Trio in B-Dur ist knappgehalten.

Die Wiederholungen im Menuett wie im Trio, je zwei, werden in allen Produktionen beachtet. Im Finale bringen folgende Interpreten nur die erste Wiederholung: Abendroth, Krips, Klemperer, Böhm, Jochum, Schmidt-Isserstedt, Mrawinsky, Bour, Cambreling, Suitner, Brown und das Collegium Aureum. Alle zwei Wiederholungen hört man bei Davis, Harnoncourt, Maag, Abbado, Mackerras, Tate, Norrington, Brüggen, Koopman, Levine, Güttler, Forck, Gardiner, Pinnock, ter Linden sowie beim Orpheus Chamber Orchestra. Unberücksichtigt bleiben die Wiederholungen bei Erich und Carlos Kleiber, Szell, Keilberth, Wand, Talich, Karajan, Leinsdorf, Münchinger, Kertesz, Barbirolli und Barenboim.

Im Konzertsaal begegnet man dieser Sinfonie eher selten, auch auf Tonträgern wird sie heutzutage fast nur bei Gesamtaufnahmen aller Mozart-Sinfonien berücksichtigt. Ich habe sie 1972 oder 1973 anlässlich eines Konzerts des Collegium Aureum im Zedernsaal des Fugger-Schlosses In Kirchheim/Schwaben kennengelernt. Hier begegnete ich zum ersten Mal einem Ensemble, das auf Original-Instrumenten spielte, und konnte die „neuen“ Klänge unmittelbar erleben.

 

5

George Szell

Cleveland Orchestra

CBS      Sony

1962

18‘53

 

  5

George Szell

Concertgebouw Orchestra Amsterdam

Orfeo

1958

18‘12

 

live, ▼

5

Hans Schmidt-Isserstedt

NDR Sinfonie-Orchester Hamburg

Originalaufnahme NDR     EMI

1971

22‘41

 

I kein assai, mit Feingefühl musiziert, ausgewogen, II Dirigent hört in die Musik hinein, IV nuancierte Darstellung

5

Josef Krips

Concertgebouw Orchestra Amsterdam

Philips

1973

21‘40

 

nichts überstürzend, gestalterischer Ernst, locker, gelassen, mit Stilbewusstsein, III etwas streng – farbenreicher Klang, gute Balance und Transparenz

5

Carlos Kleiber

Wiener Philharmoniker

DGG Video

1996?

19‘22

 

live, I mit Feingefühl am Werk, pointiert artikuliert, locker, II mit Hingabe, III inspiriert, IV Musik sensibel nachgezogen

 

5

Iona Brown

Academy of St. Martin- in-the-Fields

hänssler

1997

19‘10

 

I und IV sehr locker, vital, schnörkellose Klarheit, II MusikerInnen gehen feinfühlig zur Sache – Tempi gut aufeinander abgestimmt

 

 

4-5

Colin Davis

Staatskapelle Dresden

Philips

1991

21‘50

 

I kaum assai, sorgfältiges Musizieren, ausgewogen, II Balance nicht immer wie wünschenswert, III mit Feingefühl – gute Dynamik, gute Balance und Transparenz

4-5

Günter Wand

Gürzenichorchester Köln

Club Français du Disque   Testament

1957

19‘19

 

die Vielschichtigkeit der Partitur herausgearbeitet, sprechende Artikulation, bewegt musiziert, locker

4-5

Eugen Jochum

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

DGG

1954

21‘59

 

disziplinierte Musikalität, gestalterischer Ernst, II gefühlvoll, IV pointiert

4-5

Erich Kleiber

Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester

medici arts

1953

19‘45

 

live, I locker musiziert, trotz etwas breitem Strich, geringere Transparenz, II erhöhter Bogendruck, eigentlich nicht erforderlich, IV Streicher stellenweise etwas rau

4-5

Sylvain Cambreling

SWR Sinfonie-Orchester Baden- Baden

Glor

2006

20‘56

 

I vital, erfrischend, Dirigent beleuchtet alle Facetten des Werkes, klare Artikulation, II kantabel, immer locker, gute Balance und Transparenz, III locker, IV temperamentvoll

4-5

Vaclav Talich

Tschechische Philharmonie Prag

Rundfunkaufnahme   EMI

1954

18‘27

 

live - insgesamt lebendiges Musizieren, f-Stellen meist als ff, etwas Hall, II inspiriert, IV mit ansteckender Spielfreude

4-5

Ernest Bour

SWR Sinfonie-Orchester Baden- Baden

Membran    Cascade

1965

20‘01

 

I Holz stellenweise zu leise, locker, überwiegend schlankes Musizieren, II bessere Balance als in I, IV flexibles Musizieren – helles Klangbild

4-5

Otmar Suitner

Staatskapelle Dresden

Eterna   Berlin Classics

1974

22‘12

 

I lebendiges Musizieren, gediegen, gute Balance und Transparenz, II Musik gut ausformuliert, nicht nur routiniert, IV natürlich musikalischer Fluss

4-5

Istvan Kertesz

Wiener Philharmoniker

Decca

1963

19‘16

 

I gelöstes Musizieren bei großer Besetzung, f = ff, II elastisch, nuanciert, III pointiert, IV sehr lebendig, elastisch, klangvoll

4-5

Peter Maag

Orchestra di Padova e del Veneto

Arts

1997

22‘45

 

I frisch, locker, gute Affinität zu Mozart Partitur, II ausgeglichen, Maag geht lyrisch feinfühlig ans Werk, IV lebendig, ansteckende Spielfreude – gute Balance und Transparenz

4-5

Charles Mackerras

Prager Kammerorchester

Telarc

1988

23‘23

 

I stringent musiziert, II geschmeidig, fließend musiziert, III leider wie gehetzt, kaum Unterschiede zwischen Menuett und Trio, IV gefällt am besten

 

 

4

Jeffrey Tate

English Chamber Orchestra

EMI

1987

23‘26

 

I sachlich, mit Tempogefühl, ausgeglichen, II gestalterischer Ernst, moderat – Tate nimmt sich als Gestalter zurück

4

James Levine

Wiener Philharmoniker

DGG

1986

21‘40

 

I und IV geschmeidiges Musizieren, locker, leider bleiben Holzbläser oft etwas zurück, II ausgewogen, jedoch zu schnell, auf das Tempo bezogen wenig Kontrast zum Kopfsatz, III auch hier zu schnell

4

Otto Klemperer

New Philharmonia Orchestra London

EMI

1965

22‘57

 

I den Anforderungen der Partitur gerecht werdend, jedoch etwas behäbig, herb, gute Transparenz, II schnörkellose Klarheit, III ausgewogen, IV mit Hingabe, jedoch etwas schwerblütig, bleibt hinter der Tempovorgabe zurück – insgesamt wenig locker

4

Hermann Abendroth

Rundfunk-Sinfonie-Orchester Leipzig

Eterna      Berlin Classics

1956

19‘23

 

I vehementer Zugriff, Dramatik, wechselnde Tempi, Balance nicht immer top, II hier kann die Musik atmen, III ausgewogen, IV ausgelassen, elektrisierend, jedoch wenig Schliff

4

Ludwig Güttler

Virtuosi Saxoniae

Berlin Classics

1997

21‘34

 

I farbiges Spiel, prägnant, fantasiereich, II innere Ruhe, ausgewogen, IV Mainstream

4

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

DGG

1965

19‘36

 

4

Herbert von Karajan

Wiener Philharmoniker

Columbia   EMI

1946

18‘38

 

4

Jewgenij Mrawinsky

Leningrader Philharmonie

Erato

1983

22‘57

 

Live, I mit Hingabe musiziert, etwas schwerfällig, etwas entferntes Klangbild, II klare Artikulation, III zu ernst – insgesamt etwas spröde

4

Karl Münchinger

Stuttgarter Kammerorchester

Intercord

P 1979

21‘40

 

I man lässt sich Zeit, sehr gute Balance und Transparenz, das darf nicht alles sein, II hier passt das Tempo besser, allerdings klingt die Musik etwas hausbacken, IV gefällig, ohne Eleganz

4

Joseph Keilberth

Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester

WdR-Rundfunkmitschnitt

1966

20‘15

 

I sich Zeit lassend, kein jugendlicher Mozart, II hier gefällt Keilberths moderate Gangart, III geschmackvoll, IV Musik in Verlaufsform – großbesetztes Orchester

 

 

3-4

Daniel Barenboim

English Chamber Orchestra

EMI

1963

20‘52

 

I wenig Profil, sachlich, in Abschnitten musiziert, II Mozarts Dynamik kaum umgesetzt, nicht als Gestaltungsmöglichkeit wahrgenommen, IV T. 157 Oboe und Fagott verstecken sich

3-4

Erich Leinsdorf

Royal Philharmonic Orchestra London

Westminster     MCA

P 1957

17‘51

 

I molto assai, vehementer Zugriff, oberflächliche Brillanz, II Leinsdorf hier näher bei Mozart, III routiniert, IV Pause nach T. 161 – Aufnahme hinterlässt keinen bleibenden Eindruck

3-4

John Barbirolli

New York Philharmonic Orchestra

Rundfunkmitschnitt   Dutton

1936

18‘21

 

live, I große Orchesterbesetzung, mit Druck, großformatig, II entlang der Partitur musiziert, einige Drücker, III Menuett und Trio gut voneinander abgesetzt – Klangbild der Zeit entsprechend

 

Interpretationen in historischer Aufführungspraxis mit historischen Instrumenten

   

5

Bernhard Forck

Akademie für Alte Musik Berlin

Pentatone

2023

22‘58

 

I locker, sauber musiziert, jedoch keine neuen Aspekte, II sprechende Artikulation, III Trio ein wenig langsamer, IV inspiriert – Bläser und Streicher in bester Balance, sehr gute Transparenz

5

John Eliot Gardiner

English Baroque Soloists

Philips

1984

20‘28

 

profilierte Darstellung, vehementer Zugriff, elegant, farbiges Klangbild; insgesamt schlankes Musizieren, bei der die unterschiedlichen Aggregatzustände der Musik gut getroffen werden

5

Trevor Pinnock

The English Concert

DGA

1994

22‘37

 

I klare Darstellung, nuanciertes Spiel, spannungsintensive Beredtheit, II mit artikulatorischer Feinarbeit, IV orchestrale Vehemenz

5

Ton Koopman

Amsterdamer Barockorchester

Erato

1987

22‘32

 

I Bläser immer präsent, spontan wirkende Musizierfreude, II unaufgeregte Art, nuanciert, III mit schnörkelloser Klarheit, IV elegant – sehr gute Balance und Transparenz

 

 

4

Franzjosef Maier

Collegium Aureum

DHM

1972

22‘08

 

eine der frühen HIP-Aufnahmen, gestalterischer Ernst, unaufgeregte Art, insgesamt gewichtig, fließendes Musizieren, farbiges Klangbild, III Menuett etwas gezogen

4

Frans Brüggen

Orchester des 18. Jahrhunderts

Philips   Decca

1993

22‘04

 

live, I sich Zeit lassend, Musik klingt etwas fest, II das bewegte Tempo passt nicht so recht zum Tempo des vorigen Satzes, IV zielstrebig nach vorn, jedoch etwas hemdsärmelig – großbesetztes Orchester

 

Interpretationen in historischer Aufführungspraxis mit modernen Instrumenten

 

4-5

Claudio Abbado

Orchestra Mozart

DGG

2005

20‘48

 

live, I Allegro assai, durchweg lebendig, sehr durchsichtig, zu bewegt, Tempi zu großzügig, Musik kann nicht atmen – Musik klingt mit Ausnahme des 3. Satzes etwas gehetzt

4-5

Roger Norrington

SWR Sinfonie-Orchester Stuttgart

hänssler

2006

22‘46

 

live, I eher sachlich als temperamentvoll, nüchtern, II hier lässt Norrington auch Klangsinn zu, III Menuett vom Trio abgesetzt, IV schnell, jedoch ohne Glanz

 

 

4

Nikolaus Harnoncourt

Concertgebouw Amsterdam

Teldec

1982

26‘05

 

insgesamt etwas distanziert, eher sachlich als temperamentvoll, in Abschnitten musiziert, farbiges Klangbild

4

 

Orpheus Chamber Orchestra

DGG

1997

20‘24

 

I orchestrale Vehemenz, viel Drive, gute Balance und Transparenz, II etwas fest, Mainstream, III kaum Unterschiede  zwischen Menuett und Trio, IV Musik klingt wie kurz angebunden

4

Karl Böhm

Berliner Philharmoniker

DGG

1968

21‘59

 

I sorgfältig erarbeitet, jedoch nüchtern, II im romantischen Stil, II gezogen, genau, wenig Esprit, IV Musik auf das Handwerkliche reduziert

 

 

3-4

Jaap ter Linden

Mozart Akaddmie Amsterdam

Brilliant

2002

23‘53

 

I schwerblütig, gediegen, gute Balance, kleine Besetzung, II durchgespielt, etwas spannungsarm, III Menuett und Trio kaum voneinander abgesetzt, IV etwas hölzern

 

Hinweise zu Interpreten und Interpretationen:

George Szell

 

Zwei Aufnahmen liegen mit der Sinfonie KV 319 vor. In der Studioaufnahme mit dem Cleveland Orchester aus dem Jahre 1962 spürt man die Beziehung Szells zu der nicht häufig gespielten Sinfonie. Er lässt locker musizieren, brillant, spürt aber trotzdem die innere Dramatik in den Ecksätzen auf. Mit Nachdruck nähert er sich dem langsamen Satz, achtet dabei auch auf die Bässe. Vier Jahre zuvor dirigierte Szell das Concertgebouw Orchester bei den Salzburger Festspielen, auch hier stand Mozarts B-Dur-Sinfonie KV 319 auf dem Programm. Szells Auffassung tritt auch bereits hier hervor. Im Vergleich zur Studio-Aufnahme zeigt der Radio-Mitschnitt weniger Präsenz, das Orchester klingt etwas entfernt, die Holzbläser kommen gut heraus.

 Herbert von Karajan

Unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg durfte der NS-Belastete trotz Berufsverbots mit den Wiener Philharmonikern unter der Protektion von Columbia-Produzenten Walter Legge wieder Schallplatten aufnehmen, darunter befand sich auch Mozarts B-Dur-Sinfonie KV 319. Mit einer disziplinierten Musikalität nähert er sich dem Werk, bei einem natürlich musikalischen Fluss. Die Streicher treten oft nach vorn, das Holz tritt nur bei Solo-Abschnitten hervor. Trotzdem kann man der Aufnahme einen gewissen Klangsinn nicht absprechen, auch wenn die klangliche Ausbeute zu wünschen übrig lässt. Aus seiner Berliner Zeit stammt eine weitere Aufnahme dieser Sinfonie, jetzt von der DGG produziert. Die Musik zeigt mehr Eleganz und Espressivo, in der Auffassung nähert sie sich jedoch der früheren Produktion. Die Tempi sind nun etwas langsamer geraten.

 

eingestellt am 12. 09.25

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