Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Robert Schumann

 

Fantasie C-Dur op. 17

 

Durchaus phantastisch und leidenschaftlich vorzutragen – Mäßig. Durchaus energisch – Langsam getragen. Durchweg leise zu halten

 

Schumann nannte sein Werk ursprünglich Dichtungen für das Pianoforte. Anfangs (1836) gab es nur einen Satz mit der Überschrift Ruinen. Er ist nicht als Sonatensatz konzipiert, auch wenn er im Großen und Ganzen dreiteilig ausgeführt ist. Etwa in der Mitte steht ein Variationsteil, „im Legendenton“ überschrieben. Im ganzen Satz stehen Pathos neben verinnerlichten, auch resignativen Abschnitten. Durch häufiges Synkopieren geht das Gefühl für die Taktschwerpunkte fast verloren, darüber hinaus erleben wir einen ständigen Wechsel von Tempi und Tonarten. Es ist schon seltsam, dass in einem C-Dur-Stück Kadenzierungen zur Haupttonart erst am Ende des Satzes erfolgen, da, wo Schumann das letzte Lied aus Beethovens Liederkreis „An die ferne Geliebte“ op. 98 wörtlich zitiert: „Nimm sie hin denn, diese Lieder“. Schumann schrieb seiner geliebten, aber von ihm getrennten Clara Wieck über diesen Satz „... wohl mein Passioniertestes, was ich je gemacht habe – eine tiefe Klage um dich“.

Beethovens Lied erscheint hier in doppelter Bedeutung: ein Gruß an Clara, der er den Satz zusandte, andererseits war der Erlös aus der Musik Franz Liszt zugedacht, der Geld für ein Beethoven-Denkmal sammelte, das in Bonn errichtet werden sollte. Liszt ist auch der Widmungsträger der Fantasie.

 

Der 2. Satz mit der ursprünglichen Überschrift Trophäen, später geändert in Triumphbogen, wird durchweg von einem Marschthema beherrscht, dessen Rhythmus an den 2. Satz aus Beethovens Klaviersonate A-dur op. 101 erinnert. Formal folgt der Satz etwa dem ABA‘-Schema mit einem quasi Trio in der Mitte. Und eine weitere Beethoven-Melodie findet sich hier: das leise vorzutragende Thema des Variationssatzes der Sonate f-Moll op. 57, der Appassionata, hier jedoch gleich zu Beginn, in mf und dann in der Mitte als grandioser Höhepunkt fff zu spielen. Am Schluss steht die berüchtigte Stretta mit ihren weiten Sprüngen in Gegenrichtung in beiden Händen, „viel bewegter“ überschrieben. Den meisten Pianisten reicht schon „etwas bewegter“. Die Bewältigung dieser Stelle sollte m. E. jedoch nicht das Urteil über Gelingen oder Nichtgelingen dieses Satzes entscheidend beeinflussen. Wichtig erscheint mir, dass die Pianistin oder der Pianist sein Augenmerk auf die Dynamik, vor allem im p-Bereich, sowie das Geschehen im Bassbereich, legt.

 

Der 3. Satz, ursprünglich Palmen, später Sternenkranz, „langsam und getragen, durchweg leise zu halten“ beendete Schumann ursprünglich mit einer Wiederholung des Schlusses des 1. Satzes in einer neuen Harmoniesierung. Vor der Drucklegung 1839 verwarf er diese Lösung jedoch und schrieb ein neues, das uns bekannte, Finale, das nach einer Steigerung verklärt in C-Dur ausklingt.

1839 tilgte Schumann die ursprünglichen Satzüberschriften und nannte das grandiose Werk schlicht Fantasie und widmete es Franz Liszt. Im Blick auf seine Form könnte man es entsprechend des von Schumann verehrten Beethoven als Sonata quasi una Fantasia bezeichnen.

 

Dem amerikanischen Pianisten und Musikforscher Charles Rosen gebührt das Verdienst, uns mit der Erstausgabe des Werkes mit dem ursprünglichen Finale bekanntgemacht zu haben. Der damals noch junge Pianist Andras Schiff hatte bei der Wiederentdeckung einen nicht unerheblichen Anteil. Im Booklet seiner Schumann Doppel-CD bei ECM schildert er die Vorgänge. Auch seine Aufnahme folgt der Erstfassung, der revidierte 1. Satz wird jedoch zusätzlich mitgeliefert.

Die zu rühmende Kassette von Charles Rosen beim holländischen Label Etcetera enthält außerdem noch Aufnahmen der Erstausgaben der Impromptus op. 5, der Davidsbündlertänze op. 6 sowie der Kreisleriana op. 16.

 

5

Svjatoslav Richter

Praga

1959

29‘55

 

live Prag – viel Atmosphäre, grandiose Schlusssteigerung, im Diskant bei f-Stellen leichtes Klirren, Huster

5

Svjatoslav Richter

Supraphon

1959

29‘49

 

höherer Pegel und besserer Klang als oben, Stretta: etwas mehr Fehlgriffe

5

Svjatoslav Richter

CBS     Sony

1960

31‘10

 

live NY, I mit weniger Druck als in Prag, nachdenklich, etwas langsamer, II lk. Hd. mit mehr Gewicht, nicht ganz so fiebrig, Stretta hier mit höchster Dringlichkeit, III viel Atmosphäre – viele Huster, leise U-Bahn-Geräusche

5

Eric Le Sage

alpha

2006

29‘22

 

I sensibler Umgang mit dem Notentext, Pianist atmet mit der Musik, II überzeugend, III flexibler Umgang mit dem Tempo – trotz pianistischer Schwerstarbeit bleibt Le Sage an vielen Stellen immer locker

5

Claudio Arrau

aura

1959

33‘41

 

live – passionato!!, die „blaue Blume“ gefunden

5

Piotr Anderszewki

Warner

P 2017

31‘33

 

I phantastisch und leidenschaftlich, jedoch immer noch unter Kontrolle, II Schumanns Notentext genau gelesen und umgesetzt, vielen Hörer mag dies ungewohnt erscheinen, eine Modelleinspielung, III Pianist verfügt über eine bewundernswerte Anschlagspalette, Atmosphäre

5

Maurizio Pollini

DGG

1973

30‘43

 

kontrolliert, wie man es von Pollini gewohnt ist, und doch passionato

5

Anton Kuerti

Rundfunkmitschnitt

2003

30‘17

 

live Kanada – fiebernde Interpretation

5

Wladimir Horowitz

CBS      Sony

1965

30‘27

 

live – eine richtige Fantasie, schöne Basslinien, Stretta gebremst

5

Marc-André Hamelin

hyperion

1999

32‘37

 

was sich Arrau mühsam abringen muss, klingt hier ganz unangestrengt, sehr gute dynamische Abstufungen, die Stretta endlich mal viel bewegter, auch ein Klangerlebnis

5

Andras Schiff

ECM

2010

30‘59

 

I ziemlich im Tempo, der visionäre Ton kommt gut heraus, das Herrische, Auftrumpfende überzeugend gebracht, jedoch auch die Zwischentöne nicht übersehen, II in der Stretta geht es ums Ganze, III mit langem Atem – klare Stimmführungen, überzeugende Dynamik, sehr guter Klavierklang

5

Annie Fischer

BBCL

1971

29‘38

 

I mit Aplomb, etwas freier als ▼, III viel Atmosphäre, Spannung-Entspannung! – insgesamt noch etwas spontaner als bei EMI

5

Annie Fischer

EMI

1959

28‘40

 

I sehr gut, das letzte Quäntchen Hingabe fehlt noch, III sehr klar und fast filigran an den leisen Stellen - etwas stumpfer Klang

5

Wilhelm Backhaus

EMI

1937

28‘21

 

Betonung der Zusammenhänge

5

Wilhelm Kempff

BBCL

1969

30‘55

 

live – klingt von allen Kempff-Mitschnitten am besten

 

 

 

4-5

Lars Vogt

Berlin Classics

2010

33‘03

 

I aufmerksame Umsetzung des Notentextes, inspirierte Gestaltung, II Vogt bleibt in den langen punktierten Achtel-Ketten immer locker, die Spannung lässt jedoch etwas nach, III sich Zeit lassend, etwas (zu) entspannt

4-5

Svjatoslav Richter

EMI

1961

31‘43

 

nicht so überschwänglich wie oben, schöne Klangfarben

4-5

Wilhelm Kempff

WDR- Produktion       Orfeo

1956

29‘20

 

der folgenden Aufnahme ähnlich, klingt ihr gegenüber noch etwas überlegener

4-5

Wilhelm Kempff

Orfeo

1958

29‘25

 

live Salzburg – fantasiereiches Spiel, keine Angst vor der Stretta, aber letztlich nicht ganz bewältigt - trockener Klang

4-5

Wilhelm Kempff

DGG

1957

29‘51

 

kommt an die live-Aufnahme nicht ganz heran, aber mehr Geheimnisse als 1971

4-5

Wilhelm Kempff

DGG

1971

31‘29

 

klanglich beste Aufnahme von Kempff

4-5

Alfred Brendel

Philips

1997

30‘38

 

Brendels überzeugendste Aufnahme, mit mehr Leidenschaft als früher, II dynamische Differenzierung etwas pauschal, Stretta nur etwas bewegter, III Dynamik hier besser getroffen

4-5

Leif Ove Andsnes

EMI

1995

29‘48

 

sehr gut, es fehlt jedoch noch das letzte Quäntchen

4-5

John Bingham

Bayer Records

1988

32‘40

 

organisches Spiel, dynamische Vorzeichen ernstgenommen, sehr guter Klavierklang

4-5

Clifford Curzon

Orfeo

1974

29‘35

 

live – empathisch, viel Atmosphäre, Stretta pianistisch nicht bewältigt

4-5

Wladimir Sofronitzki

Melodya

1959 ?

27‘28

 

live – Steigerung von Satz zu Satz, III mit großer Passion, Spannung-Entspannung

4-5

Geza Anda

DGG

1963

27‘34

 

I geradlinig, II in manchmal beängstigendem Tempo, ein Rausch, sehr guter Klang, III Basslinie oft unterbelichtet

4-5

Claudio Arrau

BBCL

1960

32‘57

 

live – kontrollierter als 1959, am Schluss weniger Spannung, Klang etwas stumpf

4-5

Charles Rosen

Etcetera

P 1983

32‘58

 

I immer kontrolliert, im Ausdruck nicht fiebrig, II sehr gutes Trio „etwas langsamer-scherzando“, III ursprüngliches Finale

4-5

Sergio Fiorentino

MCPS       Appian

1996

35‘06

 

Fiorentino trifft den vom Komponisten geforderten Tonfall genau, trotz des teilweise vertrackten Klaviersatzes immer durchsichtig, immer wieder überzeugende dynamische Schattierungen, II hier etwas objektiver, nüchterner, III Akkorde re. Hd. T. 61-67 sowie T. 112-117 etwas hart

4-5

Bernd Glemser

Naxos

2002

32‘51

 

gut, jedoch ohne das gewisse Etwas

4-5

Julius Katchen

Decca

1957

31‘35

 

plastische Abbildung der Themen und Motive, lässt sich in ruhigen Abschnitten Zeit, stürmt in schnellen nach vorn

4-5

Florian Uhlig

hänssler

2010

29‘54

 

Uhlig schafft es hier noch nicht bis zum Olymp, es fehlt die letzte Konzentration, in der Dynamik teilweise etwas pauschal, II Stretta klingt nicht nach mehr

4-5

Sergei Edelmann

RCA

1985

31‘15

 

I bestes Klavierhandwerk, manchmal etwas äußerlich, man wünschte sich mehr Zwischentöne, II einige Durststrecken, III überzeugt am meisten

 

 

 

4

Claudio Arrau

Philips

1966

34‘18

 

weniger Überschwang, dafür bedeutungsvoller

4

Yuri Boukoff

Philips     forgotten records

1953

28‘52

 

I immer wieder Spannung-Entspannung nach Notenvorlage, jedoch etwas objektiv, II sehr bewegt, Dynamik im p-Bereich zu pauschal, Stretta hebt sich vom Vorherigen wenig ab, III hier Schumann am nächsten

4

Yves Nat

EMI

1953

28‘46

 

insgesamt bewegte Tempi, III Stretta wenig bewegt, jedoch einige falsche Noten, Klang etwas stumpf, höhenbeschnitten - schade

4

Benno Moiseiwitsch

Testament

1953

27‘42

 

der entscheidende Funke fehlt

4

Edwin Fischer

EMI

1949

26‘57

 

erstaunlich zügig gespielt, II zu schnell für Fischers Finger

4

Jorge Bolet

Decca

1986

32‘45

 

Bolet lässt sich Zeit, erzählend, weniger schwärmerisch, II fehlende Unruhe – guter Klang

4

Clifford Curzon

Decca

1954

30‘25

 

in den beiden ersten Sätzen langsamer als 1974, weniger Passion

4

Martha Argerich

CBS

P 1978

27‘35

 

passionato, viel Oberstimme, insgesamt etwas leichtgewichtig

4

Klara Würtz

Brilliant

2001

30‘13

 

sonorer Klang, Ausdrucksdefizite, Stretta wie aufgesetzt

4

Alicia de Larrocha

Decca

1975

31‘50

 

weniger fiebernd, gelassen, III gefällt am besten

4

Svjatoslav Richter

Philips

P 1994

32‘45

 

live – nicht mehr so leidenschaftlich, ohne Überschwang, Klavier bei lauten Stellen etwas stumpf

4

Vladimir Ashkenazy

Decca

1965

31‘38

 

unbekümmert, jugendlich

4

Vladimir Ashkenazy

Decca

1993

30‘10

 

souveräner, kalkulierter, aber nicht überzeugender als 1965 – in III klingt der Flügel belegt

4

Murray Perahia

Sony

1985

29‘55

 

schönes Klavierspiel, ohne Auslotung der Extreme

4

Jimin Oh-Havenith

audite

2022

35‘11

 

klare Artikulation, bestes Klavierhandwerk, I überwiegend transparent, nichts geht im „Pedalnebel“ unter, mit großer Übersicht, jedoch weniger Atmosphäre, II trocken, klingt ein wenig wie buchstabiert und gestelzt, Stretta ohne Überschwang, III etwas nüchtern

4

Louis Lortie

Chandos

1998

32‘29

 

I stellenweise etwas gezogen, weniger leidenschaftlich

4

Nikolaus Bringuier

audite

2006

29‘23

 

auf dem Weg zu Schumann, Stretta wird nicht als Herausforderung hörbar

4

Alfred Brendel

Vanguard   Brilliant

1966

31‘46

 

erst der Schlusssatz überzeugt

4

Alfred Brendel

Philips

P 1982

30‘01

 

I beredter, vielschichtiger als 1966, II akademisch, III wenig geheimnisvoll

4

Alfredo Perl

Arte Nova

1991

33‘05

 

I sich Zeit lassend, III am Schluss taktweise, nicht großbogig gespielt

4

Artur Rubinstein

RCA

1965

33‘09

 

zu ruhig und abgeklärt, Pflichtstück?

4

Stephen Hough

Virgin

1988

31‘06

 

I am Anfang nur ein Rausch, wenig gegliedert, II gefällt am besten

4

Nelson Freire

Philips

1984

30‘33

 

live - II gute Stretta, III zu wenig Geheimnisse, Schluss zu früh abgebremst

4

Jewgenij Kissin

RCA

1995

32‘46

 

I linke Hd. zu filigran, II Stauchungen und Beschleunigungen im übergeordneten Metrum, scherzando ohne Handschrift, gute Stretta, III etwas handfest, nicht so organisch

4

Gerhard Oppitz

RCA

1990

31‘08

 

dynamische Vorschriften nicht immer ernst genommen, oft zu laut, III nur technisch bewältigt

4

Sophie Mautner

Sony

P 1998

31‘47

 

II punktierte Achtel-Ketten nicht genügend markant, III gute Dynamik, die beiden ff-Stellen nicht gedonnert, überzeugender Schluss

4

Robert Casadesus

CBS        Sony

1960

28‘59

 

live, I viel Atmosphäre, II punktierte Achtel-Ketten wenig elegant, keine Steigerung, III wenig getragen, etwas drängend, unruhig

4

Grigory Sokolov

Melodya

1984

36‘56

 

das Knorrige und Sperrige des Klaviersatzes herausgearbeitet, leider auf Kosten des übergeordneten Zusammenhangs, II etwas gedrosseltes Tempo, nicht jedoch in der Stretta, III Musik zerrissen, karg – gewiss noch nicht das letzte Wort des Pianisten

4

Matthias Kirschnereit

Arte Nova

2004

31‘06

 

I Satz nicht sehr inspiriert, einförmig, II Stretta angestrengt, III am besten bewältigt

4

Edna Stern

Zig Zag

P 2011

32‘08

 

I immer wieder Tempoverzögerungen, zusätzlich zu denen im Notentext geforderten; stellenweise auch gezogen, geringere Leidenschaft, II auch hier immer wieder zusätzliche rit., Stretta überzeugend, III nachschlagende Akkord-Töne lk.-re. Hd. T. 5 ff. – leicht eingedunkeltes Klangbild

4

Shura Cherkassky

Orfeo

1961

29‘46

 

I hitzig, rhapsodisch, häufige Tempowechsel, über die von Schumann hinausgehend; etwas äußerlich, in Richtung Liszt schielend, II der überwiegend nervöse Ton der Musik gut herausgearbeitet, Schluss etwas grob, III unruhig

 

 

 

3-4

Walter Gieseking

Rundfunkaufnahme Berlin   Andromeda

1947

29‘48

 

Aufnahme ohne Korrektur? - I stürmisch bewegte und lyrische Abschnitte gut gegenübergestellt, zu Beginn setzt Gieseking mit der re. Hd. zu früh ein, II immer wieder p und pp, Motiv T. 21 und 25 ausgelassen, III mit großer Übersicht und langem Atem, gute dynamische Differenzierung – laute Stellen klingen leicht verzerrt

3-4

Mikhail Pletnjew

DGG

2003

33‘09

 

Pletnjew auf der Suche nach neuen Interpretationslösungen: ignoriert oft Schumanns Lautstärkevorgaben, viele Abschnitte werden einzeln betrachtet, getüftelt, hier und da interessante Details, aber kein übergeordneter Bogen, Stretta geht nicht folgerichtig aus dem Vorhergehenden hervor, manierierte Darstellung, nur für fortgeschrittene Hörer – sehr guter Klavierklang

3-4

Paul Lewis

HMF

P 2015

30‘46

 

I Poesie und Überschwang im ausgewogenen Verhältnis, Musik interpretatorisch noch nicht ausgeschöpft, II Arpeggien zu Beginn: re. Hd. folgt der linken, im ersten Drittel etwas flüchtig, vermindertes Tempogefühl, Dynamik etwas pauschal, einige Durststrecken, III Lewis lässt sich nicht ganz auf das Potential des Satzes ein, Bassmelodie T. 54/55 und T. 105/106 kaum beachtet

3-4

Jonathan Biss

EMI

2006

30‘56

 

I eher gelassen als leidenschaftlich, II alles in gesicherten Bahnen, wenig Risiko, III noch nicht in Schumanns Welt eingedrungen

3-4

Rudolf Buchbinder

EMI

1985

32‘56

 

robust, keine Geheimnisse, mehr Noten als Musik

3-4

Jörg Demus

Nuova Era    MCPS

1972-1976

29‘10

 

gestalterischer Ernst trifft auf grobkörniges Klavierspiel, mehr referierend als musizierend, spröde, Schumanns Finessen nicht geweckt, wenig Innenspannung – II zahme Stretta

3-4

Andreas Bach

Novalis

1989

33‘32

 

I zu gemächlich, der Zusammenhang zerbricht, II ohne Sog, III überzeugender Schluss

3-4

Hiroko Nakamura

Sony

1991

28‘33

 

Pianistin verwechselt Leidenschaft mit schnellem Spiel, etüdenhafte Züge

3-4

Alexis Weissenberg

EMI

1967

31‘23

 

I anfangs mit viel Aplomb, T. 21-25 wie ein Gewühle, Pianist hat mehr Liszt als Schumann im Hinterkopf, II bestes Klavierhandwerk, jedoch eindimensional, Dynamik mehr zum f hin orientiert, klingt dann abgedroschen, bereits vor der Stretta zu schnell, III viele Abschnitte etwas gleichgültig oder äußerlich

 

 

 

2-3

Franz Vorraber

Thorofon

1999

39‘02

 

I zu gemächlich, keine Leidenschaft, wie buchstabiert, II Pianist tüftelt, setzt sich überall Stolpersteine, III auf den Spuren von Afanassieff, bleiern

 

 

 

eingestellt am 10.12.06

 

Seit der Veröffentlichung dieser Übersicht vor knapp zwei Jahren ist mein Archiv um sieben Aufnahmen erweitert worden: drei Neuproduktionen mit jüngeren Künstlern sowie vier Aufnahmen, teils live, teils im Rundfunkstudio entstanden mit Pianisten, die mit dem Komponisten Schumann in besonderer Beziehung standen, Wilhelm Kempff, Annie Fischer und Svjatoslav Richter.

Von Kempff liegen mir nun fünf Aufnahmen vor, die beiden Studio-Einspielungen der DGG, eine Aufnahme des WDR aus dem Jahre 1956 (neu), ein Mitschnitt von den Salzburger Festspielen 1958 sowie ein Mitschnitt der BBC aus der Queen Elizabeths Hall vom 3.Nov. 1969 (neu). Die Kölner Aufnahme klingt mir der Salzburger etwas überlegen, die Stretta im 2. Satz ist besser gelungen, der Klang des Flügels erscheint etwas dunkler und insgesamt ausgeglichener. Übertroffen werden beide noch von dem Londoner Mitschnitt der BBC, hier klingt der Flügel noch voller, sonorer. Den 2. Satz spielt Kempff gelassen, mäßig, wie von Schumann notiert, die Stretta bleibt aber auch hier ein Problem. Wen das stört, greife dann lieber zu einem der beiden Studio-CDs der DGG.

Kempffs Kampf mit den technischen Anforderungen vor allem am Ende des 2. Satzes stellt für heutige Pianisten kein Thema dar. Ohne das erforderliche pianistische Rüstzeug sind sie bei den zahlreichen Wettbewerben von vornherein chancenlos. Die geistige Durchdringung des jeweils gespielten Werkes und die Umsetzung in Klänge bedarf jedoch noch eines langen Reifeprozesses. In zehn oder zwanzig Jahren werden Klara Würtz, Jonathan Biss und Nicolas Bringuier an und mit den Meisterwerken gewachsen und gereift sein.

Der von Supraphon neuveröffentlichte Konzertmitschnitt aus Prag entstand einen Tag vor dem des Labels Praga. Der Interpretationsansatz deckt sich bei beiden. Die Supraphon-Aufnahme besitzt einen höheren Aufnahme-Pegel und ist klanglich besser austariert. Die Praga-CD strahlt jedoch mehr Atmosphäre aus, so dass diese meine erste Wahl bei Richter bleibt, auch wenn am 1. Konzerttag der Schlusssatz noch ruhiger und abgeklärter gelingt.

Annie Fischers „neue“ Studio-Aufnahme der BBC übertrifft ihre sehr gute Vorgänger-CD von EMI noch ein wenig, da sie insgesamt etwas spontaner, freier klingt, so, als sei sie auf dem Konzertpodium mitgeschnitten worden.

 

Ergänzung am 01.11.08

 

Seit der letzten Ergänzung sind 15 Jahre vergangen und es ist Zeit einen neuen Blick auf Schumanns vielleicht beste Klavierkomposition zu werfen. Auch ist mein Archiv um viele Aufnahmen erweitert worden. Altmeister haben sich noch einmal „zu Wort gemeldet“, aber auch inzwischen neu den Konzertsaal eroberte Pianistinnen und Pianisten haben Schumanns op. 17 auf CD eingespielt. Ihre klaviertechnische Ausrüstung ist über jeden Zweifel erhaben und kann zu eindringlichen Interpretationen führen. Andererseits gelingt es ihnen nicht immer, dem Werk ihren Stempel aufzudrücken, vieles klingt ähnlich und eine individuelle Physiognomie lässt sich via CD nicht immer ausmachen.

 

letzte Ergänzung 31.10.23

 

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